Die Meldung des weltweiten Ausbruchs des neuartigen COVID-19 (2019 nCoV)-Virus (Coronavirus) durch die Weltgesundheitsorganisation hat neben den direkten Auswirkungen auf die globale Gesundheit auch für Schockwellen im internationalen Handel gesorgt. Die Auswirkungen auf grenzüberschreitende Handelsgeschäfte und infolgedessen auf die betroffenen Verträge werden mit der Zeit immer deutlicher.
Darüber hinaus haben besondere staatliche Anweisungen in den betroffenen Ländern in Bezug auf Import-/Export- und Reisebeschränkungen zu einer gerechtfertigten Unsicherheit bei den an internationalen Transaktionen beteiligten Unternehmen geführt.
Dieser Artikel legt die rechtlichen Grundlagen für die Berufung auf Höhere Gewalt bzw. für die Feststellung von Höherer Gewalt dar und liefert einschlägige Informationen, die für die Bekämpfung der vorliegenden Situationen von Bedeutung sein können.
Auch wenn sich einige kleinere Details im Verständnis von Umständen Höherer Gewalt zwischen verschiedenen Rechtsordnungen unterscheiden, bleibt der Grundgedanke derselbe. Alle Klauseln, die sich auf Höhere Gewalt beziehen, sind in der Regel darauf ausgerichtet, Situationen zu bekämpfen, die „außerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien“ liegen und die die Erfüllung des Vertrags verhindern, behindern oder verzögern. Darüber hinaus ist es zwingend erforderlich, dass das betreffende Hindernis in der Vertragserfüllung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht hätte in Betracht gezogen werden können. Als Beleg des kollektiven Verständnisses von Höherer Gewalt sind die Prinzipien internationaler Handelsverträge heranzuziehen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung, ob eine bestimmte Situation nach objektiven Kriterien ein Ereignis Höherer Gewalt darstellt, hängt in hohem Maße von den spezifischen Formulierungen der betreffenden Klausel ab. Die Definition des Begriffs der Höheren Gewalt ist im Allgemeinen weit gefasst und kann sehr unterschiedlich ausgelegt werden, sie kann jedoch auch so gestaltet werden, dass sie abschließend ist. Wenn beispielsweise die Bedingung der betreffenden Klausel lautet, dass
betreffenden Klausel darstellen kann. In jedem Fall sind die spezifischen Formulierungen der Klausel hinsichtlich Höherer Gewalt von größter Bedeutung.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein langfristiger internationaler Vertrag keine FM-Klausel enthält, muss man sich die "Rechtswahlklausel" anschauen, die das auf den Vertrag anwendbare Recht und die relevanten Bestimmungen, die in Ermangelung des ersteren anwendbar sind, festlegt.
Um festzustellen, ob der Ausbruch des Coronavirus die Parteien von ihren vertraglichen Verpflichtungen entbindet, und auch für die Feststellung des Ausmaßes dieser Freistellung müssen daher die Formulierungen der jeweiligen Klauseln zur Höheren Gewalt genau analysieren werden.
Auch wenn das Vertragsrecht sich im Hinblick auf die Höhere Gewalt in den verschiedenen Rechtsordnungen unterscheidet, sind die Ausnahmen in diesem Bereich in den meisten Ländern ähnlich, wenn nicht sogar identisch. Die Regelungen zur Höheren Gewalt sind in den folgenden Szenarien nicht anwendbar:
- in Fällen, in denen der Vertrag nach dem Ereignis Höherer Gewalt abgeschlossen wurde;
- in Fällen der Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen; oder
- in Fällen, in denen die Ereignisse Höherer Gewalt zur Zeit, als sich die betroffene Partei im Verzug befand, aufgetreten sind.
1. Kausaler Zusammenhang: Das Unvermögen, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, kann auf einen einzelnen Faktor oder auf eine Kombination von mehreren Faktoren zurückgeführt werden. So können z.B. Erkrankungen oder die Quarantäne von Mitarbeitern und/oder Arbeitskräften einen alleinigen Grund für die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung darstellen, oder sie können gemeinsam mit Rohstoffmängeln aufgrund von Exportbeschränkungen die Unmöglichkeit begründen. Die Notwendigkeit, eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Ereignis höherer Gewalt und der Unfähigkeit einer Partei, den Vertrag zu erfüllen, herzustellen, hängt, wie bereits erwähnt, von den Formulierungen der Klausel zur höheren Gewalt ab.
2. Indikatoren für Störungen in der globalen Lieferkette: Täglich kommt es in den betroffenen Ländern zu Einschränkungen des internationalen Handels, darunter die Schließung von Arbeitsstätten und Häfen, Unterbrechungen der Liefer- und Vertriebskette, Arbeitskräftemangel und sinkende Nachfrage.
3. Bestimmungen des anwendbaren Rechts: Die erste Analyse derartiger Situationen Höherer Gewalt durch die Unternehmen oder ihre Bevollmächtigten muss eine eingehende Prüfung der Frage beinhalten, inwieweit das auf den Vertrag anwendbare Recht Ansprüche aus den Vorschriften zur Höheren Gewalt zulässt.
4. Klauseln zur Streitbeilegung: Es ist zu prüfen, ob der betreffende Vertrag auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit als Rechtsweg verweist oder ob er die Partei vor eine unbekannte Gerichtsbarkeit stellt. Davon hängen in erster Linie mögliche rechtliche Strategien ab.
5. Härtefall-Klauseln: Wenn ein Vertrag eine Härteklausel enthält, kann die Schwelle für die Berufung auf Höhere Gewalt deutlich größer sein. Dies gilt insbesondere in Situationen, in denen die Faktoren, die zum Vorliegen Höherer Gewalt führen, vorübergehend sind.
Unter Berücksichtigung der voranstehenden Aufzählung von Faktoren wird empfohlen, dass Unternehmen, die von dem Ausbruch des Coronavirus betroffen sind, sich wie folgt verhalten:
Die Rechtsbehelfe im Falle Höherer Gewalt ergeben sich wiederum direkt aus den Formulierungen der betreffenden Vertragsklausel oder dem anwendbaren Recht. Die üblichen Rechtsbehelfe sind a) Aussetzung des Vertrags und aller vertraglichen Verpflichtungen, b) das Recht, den Vertrag zu kündigen oder ganz zu beenden, c) das Recht, die Frist für die Vertragserfüllung zu verlängern, und d) das Recht auf Verlängerung zusammen mit einer auferlegten Verpflichtung, sich um eine Milderung der Umstände Höherer Gewalt zu bemühen.
In manchen Rechtsordnungen bestehen allerdings noch andere Rechtsbehelfe:
Der Chinesische Rat zur Förderung des internationalen Handels (CCPIT) hat am 30. Januar 2020 angekündigt, dass er „Zertifikate für Höhere Gewalt“ anbieten wird, um die Unternehmen im Umgang mit ihren ausländischen Handelspartnern in Bezug auf Streitigkeiten, die sich aus staatlichen Kontrollmaßnahmen ergeben, zu unterstützen. Im Zeitraum bis zum 2. März 2020 hat der CCPIT bereits über 1600 solcher FM-Zertifikate ausgestellt, um die chinesischen Unternehmen vor Haftungen wegen Nichterfüllung zu schützen.
Die Zertifikate sollen angeblich die Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen bei Höherer Gewalt erleichtern, wenn der Vertrag die Voraussetzungen für diese enthält. Die Zertifikate haben jedoch keinerlei verbindliche Wirkung für die chinesischen Gerichte der zuständigen Gerichtsbarkeit, sondern haben lediglich einen Überzeugungswert und das Ziel zusätzlicher Authentizität der damit verbundenen Ansprüche. Es werden jedoch keine nachdrücklichen Empfehlungen in dieser Hinsicht abgegeben.
Während der Ausbruch des Coronavirus zweifellos von Tag zu Tag immer tiefgreifendere Auswirkungen mit sich bringt, kann die Reichweite dieser je nach Einzelfall variieren. Aufgrund dessen müssen alle Verträge individuell geprüft und untersucht werden, um den bestmöglichen Umgang angesichts der aktuellen Umstände zu wählen.
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